DÜSSELDORF | Die Deutschen werden immer älter, damit steigt die Zahl der Pflegebedürftigen. In Nordrhein-Westfalen gibt es aktuell 650.000 Pflegebedürftige. Nach Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft wird die Zahl bis 2035 auf 900.000 steigen. Für Betroffene und Angehörige bringt das große Herausforderungen mit sich – auch finanziell.
Was kostet ein Pflegeheim? Die meisten Menschen möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben. Doch wenn die Einschränkungen zu groß werden, wird es Zeit für ein Pflegeheim. Bundesweit gibt es rund 14.500 Heime, die Unterschiede in Ausstattung, Leistungen und Kosten sind groß. Zum einen fallen Kosten für Pflege und Betreuung an, hierfür kommen grundsätzlich die gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherungen auf. Hinzu kommen die Kosten für Verpflegung und Unterkunft (inklusive Investitionskosten) und eventuelle Zusatzleistungen. Diese Kosten trägt grundsätzlich der Pflegebedürftige.
Warum kostet ein Platz in NRW besonders viel? Die regionalen Unterschiede sind groß. In Sachsen liegt der durchschnittliche monatliche Eigenanteil nur bei 1232 Euro, in NRW muss der Betroffene im Schnitt dagegen 2350 Euro aus eigener Tasche zahlen. „80 Prozent der Pflegeheimkosten entfallen auf Lohnkosten, entsprechend wirken sich die vergleichsweise hohen Löhne für Pflegekräfte in NRW aus“, erklärt ein Sprecher des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV), der die Eigenanteile in den Heimen ermittelt hat. So liegt der durchschnittliche Bruttomonatslohn für Altenpflege-Fachkräfte in NRW bei 2917 Euro, in Sachsen bei 2203 Euro. Dabei spielt eine Rolle, dass in NRW öfter gewerkschaftlich gut organisierte Wohlfahrtsverbände Träger der Heime sind, die besser zahlen als mancher private Anbieter.
Wer zahlt – auch die Angehörigen? Grundsätzlich muss der Pflegebedürftige seinen Eigenanteil stemmen. Bei der Mehrheit reichen Rente und Vermögen dazu aber nicht aus. Dann haften auch Kinder für ihre Eltern (nicht aber Enkel- und Schwiegerkinder, Nichten, Cousinen und Geschwister). Konkret wird das Sozialamt einspringen und das Geld von den Kindern zurückfordern. „Zahlen müssen Kinder aber nur, wenn sie dadurch nicht ihren eigenen Lebensbedarf und den ihrer eigenen Familie gefährden“, betont die Verbraucherzentrale. Als Faustregel gilt: Der Mindestselbstbehalt für Kinder beträgt 1800 Euro netto pro Monat für Alleinstehende, hinzukommen der Selbstbehalt für weitere Familienmitglieder. „Auch höhere Wohnkosten können unter Umständen berücksichtigt werden“, betont die Verbraucherzentrale. Und: „Haben die Eltern sich erheblicher Verfehlungen gegen das Kind schuldig gemacht, haben sie einen geringeren bis gar keinen Unterhaltsanspruch.“
Was gilt bei der Pflege zuhause? Rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden daheim versorgt, etwa die Hälfte davon mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste. Die andere Hälfte wird allein von Angehörigen gepflegt, überwiegend von Frauen. Doch die klassische Rollenverteilung ändert sich und so werden ambulante Dienste immer öfter nachgefragt. Diese rechnen ihre Leistungen wie Hilfe beim Waschen oder Essen dann direkt mit der Pflegekasse ab. Allerdings müssen Pflegebedürftige auch hier mit eigenen Kosten rechnen, so die Verbraucherzentrale. Zudem nehmen Pflegedienste bisweilen aus Personalmangel keine neue Kunden an.
Wie wirkt sich der Pflegermangel aus? Manche Pflegeheime können die vorgeschriebene Fachkraftquote von 50 Prozent nicht erfüllen. Sie müssen dann Patienten abweisen, obwohl sie freie Betten haben. Aus gleichem Grund müssen die ambulanten Pflegedienste laut der Freien Wohlfahrtspflege allein in NRW pro Monat insgesamt 9000 Absagen an Bedürftige erteilen.
Wie viele Pfleger fehlen in NRW? Laut einem Report der Landesregierung fehlen in NRW 5800 Pfleger in Krankenhäusern und 4300 in Altenheimen. Da gerade in der Pflege viele nur Teilzeit arbeiten, müssten auf einen Schlag 14.000 Fachkräfte eingestellt werden, nur um die aktuelle Lücke zu schließen. Bei der letzten landesweiten Erhebung 2015 betrug die Fachkräfte-Lücke in beiden Bereichen zusammen noch 2300 Vollzeitkräfte. Die Gründe für die Lücke: Pfleger werden nicht gut bezahlt. Die Einstiegsgehälter beginnen für Fachkräfte laut Verdi bei 2600 Euro. Das Gehalt kann bis etwa 3500 Euro steigen. Hinzu kommt, dass viele Pfleger unter ihren Arbeitsbedingungen leiden, wie kürzlich bei einer Expertenanhörung im Landtag deutlich wurde. Viele steigen schon kurz nach der Ausbildung wieder aus dem Beruf aus. Die Folge: Auf 100 offene Stellen in NRW-Altenheimen kommen zurzeit nur 44 potenzielle Bewerber.
Was ist bei ausländischen Pflegekräften zu beachten? Immer wichtiger wird die Hilfe ausländischer, meist osteuropäischer Kräfte. Seit der EU-Osterweiterung gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Arbeitnehmer aus Polen, Tschechien und Litauen, sie dürfen hier also unbeschränkt arbeiten. Aber für sie gelten auch alle Spielregeln des deutschen Arbeitsmarktes: Sie müssen mindestens den Mindestlohn bekommen und dürfen nicht für einen 24-stündigen Dauerbereitschaftsdienst eingesetzt werden. Sie müssen sozialversichert werden, sofern sie nicht als Selbstständige tätig sind. Im Schnitt fallen damit Kosten von rund 2200 Euro im Monat an. Die Verbraucherzentrale warnt: „Wer eine osteuropäische Hilfe schwarz beschäftigt, geht ein hohes Risiko ein.“ Immerhin: Die Kosten können als haushaltsnahe Dienstleistung steuerlich geltend gemacht werden, wenn auch nur bis 4000 Euro im Jahr. Bei der Suche helfen die Zentrale Auslandsvermittlung (ZAV) der Bundesagentur oder private Agenturen.
Verbraucherzentrale www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege
Land www.mags.nrw/beratung-und-hilfe-im-pflegefall
Warentest www.test.de/thema/pflege-von-angehoerigen/
Quelle: https://rp-epaper.s4p-iapps.com/wr3/index.html#/868548/8-9